Mittelalter
An der schrittweisen Besiedlung des Biberbacher Gebietes hatten vereinzelt slawische, aber besonders deutsche Kolonisten sowie geistliche und weltliche Herrschaften (Freising, Passau, Gleiß) einen wesentlichen Anteil. Seine Bewohner gehörten seit dem Aufbau einer kirchlichen Organisation zum riesigen Seelsorgesprengel der Martinspfarre Aschbach.
Als die Bevölkerung zunahm und vom Kirchort Aschbach aus seelsorglich nicht mehr hinreichend betreut werden konnte, entstanden unter Einfluss des Passauer Bischofs Ulrich Filialkirchen, um die Seelsorge zu verbessern. So dürfte auch die Kirche in Biberbach um 1100 gegründet und dem hl. Stephanus, dem Patron der Passauer Bischofskirche, geweiht worden sein.
Die erste Kirche dürfe ein einfacher romanischer Bau gewesen sein. Der edle Udalschalk von Still stiftete in Seitenstetten ein Benediktinerkloster (1112), dem der Passauer Diözesanbischof die Pfarre Aschbach mit ihren Filialkirchen Allhartsberg, Biberbach und Krenstetten (1116) übergab. In der Übergabeurkunde wird Biberbach erstmals genannt.
Als die Besiedlung der Gegend weitgehend abgeschlossen war, löste sich Biberbach von der Mutterpfarre. 1312 scheint Biberbach erstmals als selbstständige Pfarre auf. Um 1300 unterstanden etwa 40 Häuser der heutigen Pfarre Biberbach der Grundherrschaft des Stiftes Seitenstetten, etwa 60 Häuser leisteten Zehentabgaben nach Seitenstetten. Von den mittelalterlichen Pfarrern in Biberbach ist als einziger Georg (Jörg) Sattler mit Namen bekannt (1477). Unter den Biberbacher Kleinadelsfamilien brachten es neben den Diemingern auch die Agler regional zu bescheidenem Besitz und Ansehen. Sie dürften zum gründlichen Umbau der Kirche um 1480 beigetragen haben.
Neuzeit
Bald nach Beginn der Neuzeit hatte auch das westliche Niederösterreich unter dem Türkeneinfall zu leiden (1529). Neben der Kirche gingen der Pfarrhof und die Häuser des Dorfes in Flammen auf.
Diese unglücklichen Ereignisse hatten zur Folge, dass der Pfarrhof nicht mehr aufgebaut und Biberbach über mehr als 200 Jahre vom Stift Seitenstetten aus seelsorglich betreut wurde. Im Bauernaufstand (1596/97) schlossen sich die Biberbacher Bauern ihren revoltierenden Standesgenossen an.
Seit dem Jahr 1620 sind Taufen, Trauungen und Sterbefälle in den pfarrlichen Matrikenbüchern aufgezeichnet. Als Zeichen für die Erneuerung des katholischen Glaubens und der beginnenden Barockisierung ist die Anschaffung eines neuen Hochaltars zu werten (1654). Nach den Plänen des Seitenstettner Benediktiners P. Joseph Schaukegl wurden in Biberbach Pfarrhof und Schule gebaut (1760/62). Seither konnten sich die Pfarrherren, Patres aus dem benachbarten Benediktinerstift Seitenstetten, ganz der örtlichen Seelsorgearbeit widmen. Im 18. Jahrhundert sind jährlich 18 Wallfahrten Ausdruck barocker Frömmigkeit.
Traurige Zeiten erlebte die Biberbacher Bevölkerung in den Franzosenkriegen. Brachten Soldaten beim ersten Einmarsch (1800/1801) den Pfarrer um einen hohen Geldbetrag, drangen sie 1805 und 1809 gewaltsam in die Kirche ein und stahlen wertvolle liturgische Geräte. Bis 1848 waren die Biberbacher Häuser auf 28 Grundherrschaften aufgeteilt. Nachdem die Bauern die Aufhebung der Grundherrschaft erreicht hatten, tat an deren Stelle die Gemeinde als neue Verwaltungsbehörde mit einem Bürgermeister an der Spitze (1850).
An die bitteren Jahre der beiden Weltkriege und ihre Opfer erinnert das Kriegerdenkmal. Nach der Überwindung der verheerenden Kriegsfolgen ist der Ort bedeutend angewachsen. Die Pfarrgemeinde, die etwas kleiner als die politische Gemeinde ist, zählt gegenwärtig etwa 1720 Mitglieder. 2003 wurden der neue Gemeindefriedhof und die Aufbahrungshalle geweiht.
Legende über die Entstehung der Pfarrkirche Biberbach (aufgezeichnet 1804):
Ein Bauer habe an der Stelle der heutigen Kirche zu einem Müller gesagt, man werde an dieser Stelle bald eine Kirche sehen. Darauf habe der Müller ungläubig erklärt, es werde dies ebenso wenig geschehen, wie sein Mühlstein an diese Stelle herkommen würde.
Am nächsten Morgen aber sei der Mühlstein tatsächlich am Ort des Gespräches gewesen, ohne dass jemand sagen konnte, wie er da hingekommen sei. Daher habe man alsbald an dieser Stelle mit dem Kirchenbau begonnen.
Es ist klar, dass diese Legende, die schon 1804 aufgezeichnet wurde, durch den Mühlstein veranlasst wurde, der in die Südwand des Gotteshauses eingelassen ist (siehe Dr. P. Benedikt Wagner, ehem. Stiftsarchivar Seitenstetten, aus "Biberbach und seine Kirche im Wandel der Zeit").
Die Legende über die Entstehung der Pfarrkirche wurde auch vom Biberbacher Heimatdichter Rudolf Alberer aufgegriffen und in einem kurzen Schauspiel, dem "Mühlstoaspiel", dargestellt. Dieses wurde erstmals im Jahre 1991 bei der 875 Jahr Feier der Erwähnung des Ortes Biberbach aufgeführt. Auch beim Pfarrfest im Jahr 2012 (anlässlich dem 700-Jahr-Jubiläum der Pfarre Biberbach) wurde das Mühlsteinspiel von einigen Jungscharkindern dargebracht.
Pfarrkirche St. Stephan in Biberbach
Patrozinium: Hl. Stephanus (Festtag 26.Dez.), Diözese St. Pölten, Dekanat Waidhofen/Ybbs, Bez. Amstetten.
Außenbau:
Die Biberbacher Pfarrkirche ist eine spätgotische Landkirche, inmitten des Ortes vom Friedhof umgeben. Der 40,7m hohe, mittelalterliche ungegliederte Westturm mit Schallfenstern trägt über halbrunden Uhrgiebeln einen schlanken barocken Helm mit Kuppel und Laterne (1751), darauf das 2m hohe vergoldete Turmkreuz.
An den Turm schließt sich das spätgotische Langhaus (ca. 1480) mit hohem Dach und maßwerklosen Spitzbogenfenstern zwischen einfachen Strebepfeilern an. Den östlichen Abschluss bildet unter gleich hohem Dachfirst der hochgotische Chor (ca. 1400) mit barockisierten Fenstern. Der Eingang an der Westseite führt durch das schlichte Spitzbogenportal des Turmuntergeschosses in den Kirchenraum.
In der Ecke Turm-Eingangsvorhalle befindet sich ein schlichtes Priestergrab sowie ein Missionskreuz. An der Südseite treten die Eingangsvorhalle mit Kreuzgratgewölbe und Portal mit Vorhangbogen sowie der zweigeschossige barocke Sakristei-Anbau mit vergitterten Rechteckfenstern blockartig hervor.
An der Südwand erinnert eine Terrakotta Tafel an den Türkeneinfall. Auf dem Fragment eines Gedenksteins (1535) am Fuß des Strebepfeilers sind ein Totenkopf, ein Wappenschild, das Seitenstettner Stiftswappen und eine umlaufende Inschrift erkennbar. Der eingemauerte Mühlstein wird mit der Legende der Kirchengründung oder mit der Überlieferung in Zusammenhang gebracht, dass sich Bewohner in der Gegend der Kumpfmühle versteckt hielten, aber von den Türken entdeckt und ermordet wurden.
Von den drei Friedhofseingängen führen mit Granitsteinen gepflasterte Wege zu den beiden Kircheneingängen (2009). In der Eingangsvorhalle mit seitlichen Sitzbänken („Bettellaube") befindet sich oberhalb des Kirchenportals in einer vergitterten Nische eine barocke bunt gefasste Pietà.
Innenraum:
Der einjochige Chorraum ist breiter als das Mittelschiff und aus der Achse verschoben. Die zarten Kreuzrippen ruhen auf dünnen Runddiensten bzw. auf Konsolen mit Kapitellen, die mit verschiedenen Band- und Maßwerk-Zierrat versehen sind. Am Schlussstein im Scheitelpunkt des Gewölbes ist das Lamm Gottes zu erkennen. Das Wappen am zweiten Schlussstein könnte als Seitenstettner Stiftswappen gedeutet werden.
Das an der Nordwand abgemauerte Spitzbogenportal könnte der Eingang in die ehemalige Sakristei gewesen sein. Gegenüber führt das Portal mit Eisenplatten-beschlagenem Türblatt in den barocken Sakristeianbau. Ein einfacher Triumphbogen trennt den Chorraum vom Langhaus.
Den spätgotischen dreischiffigen Hallenraum überspannt ein reiches Netzrippengewölbe, die dunklen Gewölberippen ruhen im Raum auf vier mächtigen Achteckpfeilern, wandseitig auf Runddiensten auf. Das Größenverhältnis des Mittelschiffes zu den Seitenschiffen beträgt 1:1,5:1. Die hallenbreite Orgelempore, die auf eigenen Pfeilern mit reichem Rippennetz unterwölbt ist, ragt durch die erweiterte Holzbrüstung verhältnismäßig weit ins Langhaus.
Der Fußboden, der im Presbyterium mit Kehlheimer-Platten, im Langhaus mit rot-beigen Terrazzoplatten belegt ist, weist ein ungewöhnliches Gefälle von vorne nach hinten auf. Die Ausmaße des Kirchenraumes betragen: Länge 23m, Breite 11,7m, Presbyterium 6,5m.
Hochaltar:
Der spätbarocke Hochaltar mit frühklassizistischen Anklängen in schwarz-goldener Fassung ist ein Werk des Seitenstettner Tischlers Anton Paumgartner (1793). Der Altaraufbau fügt sich zwischen den beiden Fenstern vorzüglich in den polygonalen Chorabschluss ein und füllt die gesamte Höhe des Presbyteriums aus. Auf der freistehenden Mensa steht ein kubischer Panzertabernakel, der zur Aufbewahrung der Monstranz und des Speisekelches dient, darüber das Auge Gottes im Strahlenkranz, daneben zwei zierliche Putti. An den seitlichen Volutenenden neigen sich zwei geflügelte Engel in anbetender Haltung dem eucharistischen Zentrum zu. Die sechs Leuchter in klassizistischer Form sind aus der Entstehungszeit des Altares (1793). Zwei vergoldete Rokoko-Reliquiare (ca. 1760) mit bewegtem Rahmen und aufwändiger Klosterarbeit verstärken die ornamentale Wirkung des ganz in Gold gehaltenen Mensaaufbaues.
Tabernakel: Auf den breit ausgelegten Postamenten nehmen neben zwei klassizistischen Flammenvasen die lebensgroßen Figuren des hl. Sebastian (mit Pfeil und Bogen) und des hl. Laurentius (mit Rost) einen dominierenden Platz ein. Der Beichtstuhl in der Mitte ist nachträglich eingebaut. Im Altaraufbau rahmen zwei Säulen mit zarten Kompositkapitellen und Rokoko-Ornamenten das Altarbild „Steinigung des hl. Stephanus" ein (Martin Johann Schmidt 1792).
Sonntagberger Gnadenstuhl: Den oberen Abschluss bildet die Figurengruppe „Sonntagberger Gnadenstuhl", umgeben von dekorativen Voluten, Cherubköpfchen, Putti sowie Frucht- und Blumengebinden.
Marienaltar:
Der linke Seitenaltar trägt zwischen kannelierten Säulen mit korinthischen Kapitellen das Altarbild „Muttergottes mit der hl. Katharina und der hl. Barbara" (Johann Georg Staindorffer 1681). Auf den Sprenggiebeln stehen die bunt gefassten Figuren (1891) der hl. Klara (mit Monstranz) und der hl. Notburga (mit geraffter Schürze). Dazwischen bilden Volutenpilaster den seitlichen Rahmen für das achteckige Gemälde „Heilig-Geist-Taube", darüber ist ein Medaillon mit Marienmonogramm im Strahlenkranz angebracht.
Nothelferaltar:
Wie der Marienaltar ist auch sein Gegenstück in Schwarz-Gold-Fassung gehalten. Das Altarbild des rechten Seitenaltars stellt die „14 Nothelfer in Anbetung des Gottesnamens" dar (Johann Georg Staindorffer 1681). Das Aufsatzbild „Auge Gottes", das die Figuren des hl. Aloisius (mit Kreuz) und des hl. Franziskus (mit Lilienstab) begleiten (1891), bekrönt ein IHS Medaillon im Strahlenkranz.
(Quelle: Kirchenführer Biberbach, Text Dr. Franz Überlacker)
Glockenkunde
„Zwöfileitn, Huat auf d´ Seitn – Kreizal mocha, nimma locha“
Die Älteren von uns kennen das Sprücherl wahrscheinlich noch, welches die Kinder beim Mittagsgeläute aufgesagt haben. Das ist lange her. Damals wussten fast alle, was die Glocken zu „sagen“ haben (Angelus-Viertel-Zusammenläuten). In Zeiten, wo es kaum Taschen- oder Armbanduhren gab, teilten Menschen die im Freien arbeiteten (Bauern, Bauarbeiter, Straßen- und Wegerhalter etc.), ihre Arbeit und Pausen nach dem Glockengeläute und dem Schlagen der Turmuhr ein. Es ruhte während des Läutens meist die Arbeit und es wurde auch, gerade beim bäuerlichen Volk, der Engel des Herrn gebetet.
In unserer Zeit sind die Turmuhr und die Glocken nicht mehr so sehr „Zeitansager“ und werden oft überhört oder gar als störend empfunden. Deshalb hier der Versuch, unser wirklich schönes Geläute zu erklären, um es bewusster zu hören.
Es gibt zwei Arten, wie eine Glocke erklingt: Sie läutet, wenn sie zum Schwingen gebracht wird und der Köppel innen anschlägt. Das Schlagen der Glocke geschieht, indem ein Hammer, gesteuert von einem elektronischen Uhrwerk in der Sakristei, von außen auf die stillstehende Glocke schlägt (Stundenschlag). Dieses Uhrwerk in der Sakristei steuert auch die Turmuhr (früher ein mechanisches Werk im Turm).
Im Turm der Biberbacher Kirche befinden sich seit 10. Oktober 1947 – kriegsbedingt – fünf neue Glocken, die später noch genauer beschrieben werden. Glocken werden stets, beginnend von der größten Glocke abwärts, gezählt: 1er, 2er, 3er, 4er, 5er. Die größte Glocke ist meist dem Kirchenpatron geweiht.
Relief Hl. Stephanus (Ton F), 997 kg
Relief Herz Mariä (Ton G), 727 kg
Relief Hl. Josef (Ton B), 413 kg
Relief Hl. Florian (Ton C), 291 kg
Relief Christus am Kreuz (Ton D), 211 kg (Totenglocke)
Zu welchem Anlass erklingen nun unsere Kirchenglocken und in welcher Zusammensetzung:
Angelusläuten (Engel des Herrn): 2er Glocke, täglich um 6 Uhr, 12 Uhr, 18 Uhr.
Todesstunde Christi: 2er Glocke, jeden Freitag um 15 Uhr
Todesfall eines Pfarrmitgliedes: 5er Glocke (Zügenglocke, kommt von in den letzten Zügen liegen), wird im Volksmund gern „Singlockn“ oder „Sengnglockn“ genannt. Wenn am Todestag eine Hl. Messe gefeiert wird, wird am Schluss der Messe geläutet. Ansonsten nach Bekanntgabe eines Todesfalls. Die Totenglocke wird fünf Minuten lang geläutet.
Viertelläuten: 2er Glocke, 15 Minuten vor jeder kirchlichen Feier, zwei Minuten lang.
Zusammenläuten: Wochentags und Totenwache: 2er, 3er, 4er-Glocke, Sonn-u. Feiertage, Hochzeit, Taufe: 1er, 2er, 3er, 4er Glocke, drei Minuten lang.
Wandlung: 2er Glocke
Schlagwerk der Uhr: 1er Glocke für die volle Stunde, 3er Glocke für die Viertelstunden
Seit dem 27. Mai 1959 werden die Glocken und das Schlagwerk elektrisch angetrieben. Bis dahin wurden sie - oft auch mit manchem Gaudium - von den Ministranten mit Seilen geläutet. Freuen wir uns, dass unsere Glocken weiterhin junge Christen bei der Taufe begrüßen, Brautpaare zu Beginn ihres gemeinsamen Lebensweges begleiten und uns allen ein Stück dörfliches Heimatgefühl vermitteln!
(Text: Josef Steinbichler 2017)